Hölderlin

1793 besucht Herzog Karl Eugen mit seiner Gemahlin Franziska das Tübinger Stift. Er vermutet, dass die Stiftler, angesteckt durch die Französische Revolution und die Ideen Rousseaus, aufrührerisches Gedankengut entwickeln könnten und will dem Haus neue Statuten aufzwingen. Indes diskutieren Schelling, Hegel, Schiller, Sinclair und Hölderlin die aktuellen Nachrichten aus dem Nachbarland Frankreich. Die jungen Philosophen und Schriftsteller sind beflügelt von den neuen Staatsideen. Wegen an die Wand gekritzelter Parolen wird Sinclair noch während der Visitation öffentlich gezüchtigt. Als die Studenten kurz darauf vom Tode des Revolutionärs Marat hören, droht die Situation unkontrollierbar zu werden. Der Herzog zieht sich zurück, draußen hallen die Rufe nach Freiheit und Demokratie. Ein Jahr später nimmt Hölderlin durch Schillers Vermittlung zum Broterwerb eine Stelle als Hauslehrer bei Familie von Kalb im Thüringischen an, zwei Jahre später bei Familie Gontard in Frankfurt. Beide Male scheitert der Dichter. 1799 liest er seinen Freunden aus seinem Dramenfragment „Tod des Empedokles“ als verschlüsseltes Revolutionsdrama vor – wieder wird die politische Lage diskutiert, doch so einig man sich ist, dass die Zeit der Herrscher vorbei ist, so unklar bleibt, wann die Zeit des Einzelnen wohl kommen wird. Ein paar Jahre später, 1806, wird Hölderlins Beschützer Sinclair wegen geplanten Tyrannenmordes verhaftet. Hölderlin kehrt schwer krank von einer Frankreichwanderung zurück und flüchtet schließlich in den Wahnsinn.
Peter Weiss’ „Hölderlin“ wurde 1971 am Staatstheater Stuttgart unter der Regie von Peter Palitzsch uraufgeführt. Zum 250. Geburtstag Friedrich Hölderlins zeigt die WLB diese besondere Auseinandersetzung mit dem Dichter. In seiner Geschichte über das 18. Jahrhundert erzählt Peter Weiss im Analogieschluss auch über den Pariser Mai 1968 und die deutschen Studentenrevolten dieser Jahre. „Hölderlin“ ist kein historisches Stück, sondern schlägt eine Brücke zwischen den Jahrhunderten und fragt nach der immer noch aktuellen Position des Intellektuellen in politisch unruhigen Zeiten.

 

Eine Produktion an der Württembergischen Landesbühne Esslingen