Fotos: Claus Becker


Westfälische Nachrichten

3.12.1012 (Premiere)

Schauspieler zeigen Stück im Stück

Theater: Verschachteltes Familiendrama von Yasmina Reza gelingt im Theaterlabor. Von Burkhard Knöpker

 

Münster - Der Andrang ist groß. Claus Becker wirkt ein bisschen aufgeregt und stellt noch ein paar Stühle hinzu. Seine erste Inszenierung sorgt für Anspannung. Hier, im Theaterlabor an der Scharnhorststraße, hätte man dem jungen Mann wahrscheinlich kleine Regiefehler nicht übel genommen. Aber die Sorge ist sowieso völlig unbegründet. Am Samstagabend wagen sich fünf Schauspieler erfolgreich an die Umsetzung von Yasmina Rezas „Ein spanisches Stück“.

 

Erfahrene Verführerin

Dass der Hausverwalter Fernan (Philipp Ronstedt) seine Geliebte Pilar (Kathrin Marhofen) am Ende heiratet, ist nicht von Anfang an ausgemachte Sache. Zumal Pilars Töchter von der Liaison nicht begeistert scheinen. Allerdings verführt die erfahrene Pilar den jüngeren Fernan, der eine Schwäche für Philosophie und Literatur besitzt, und stellt damit die Weichen.

Rezas Stück handelt von Schauspielern, die ein Stück proben und innerhalb dieses Stückes wiederum ein anderes Stück einstudieren. Was konfus klingen mag, wirkt auf der Bühne ganz einfach. Ein Kompliment an die Darsteller, die nicht nur lange Textpassagen charaktervoll wiedergeben, sondern auch stets den Überblick behalten. Selbstzweifel, Ängste, Hoffen, Bangen und Sehnen: Es ist ein emotionales Stück, das auf dem Höhepunkt einer Familienfeier spielt.

 

Verkrachte Familie

Pilar ohrfeigt ihre Tochter Nuria (Dorothee Kersting), weil die sich despektierlich über ihre Mutter geäußert hat. Schwester Aurelia (Johanna Malecki) macht beiden Vorwürfe, ist aber mit ihren Gedanken anderswo, nämlich bei ihrem dauertrinkenden Ehemann, Mathematiklehrer von Beruf. Trotz seiner Alkoholabhängigkeit verleiht Mariano (Christoph Spielmann) dem Ganzen mit seinem trockenen Humor die nötige Leichtigkeit. Das Stück stellt hohe Anforderungen an Regie uns Schauspieler, die nicht enttäuscht werden. Großer Applaus.

 

 


 

Münsteraner Zeitung

17.12.12

 

Mit Spielern in der ersten Reihe

 

Theaterlabor zeigt Yasmina Rezas „Ein Spanisches Stück“

Von Andrea Bracht

 

Münster – Mit Yasmina Rezas „Ein Spanisches Stück“ gab Claus Becker am Wochenende sein Regie-Debüt im restlos ausverkauften Theaterlabor der Universität. Auf der dunklen Bühne ein paar Requisiten, Stühle und ein Bild, die Schauspieler in der ersten Sitzreihe. Das verschachtelt konstruierte Stück über Ängste, Träume und Rollenspiele konnte beginnen.

Auch in der ersten Reihe saß Kathrin Marhofen (wenn sie gerade Pause hatte). Herausragend spielte sie die Schauspielerin von Pilar, der Mutter der beiden jungen Schauspielerinnen Aurelia und Nuria. Marhofens Figur machte Pilar zu einer sehr lebensbejahenden, freundlichen Frau, die sich einen jüngeren Liebhaber genommen hat und vorerst zufrieden wirkt.

Klingt alles konfus und ist es auch: Denn das Spanisches Stück ist ein Stück im Stück. Die Figuren streiten sich zu Beginn mit der imaginären Regie, dem Autor an sich und der Kostümbildnerin; sie schimpfen auf ihre Rollen und die gesamte Branche. Doch fügen sie sich und lassen sich ins Stück im Stück gleiten.

Aurelia (Johanna Malecki) spielt sogar das „Bulgarische Stück“ im „Spanischen Stück“ in Rezas „Stück“. Anerkennung für ihre schauspielerische Leistung erfährt sie von ihrem Mann nicht. Der will lieber mit der „halbnackten“, populären Schwester seiner Frau ausgehen. Und noch mehr Cognac trinken. Der Spieler des Mariano, Mathelehrer und Trinker, bewahrt sich seinen Charakter, mit zynischen Reden in die Dialoge der restlichen Figuren.

Bei einem Familientreffen kommt die explosive Mischung zusammen; Aurelia, die keinen beruflichen Durchbruch erzielt und neben dem Lehrer „verkümmert“, ihre Schwester Nuria, die auf dem Weg nach Hollywood ist und allein von ihrer Gefallsucht beherrscht wird, Mutter Pilar samt Liebhaber Fernan, dem Hausverwalter, der als Einziger auch am Ende des Stücks glücklich und ausgeglichen wirkt. Und Mariano, der erklärt: Schauspieler sind keine Künstler, denn sie wollen um jeden Preis gefallen und diese Besessenheit ist das Gegenteil von Kunst.